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   LESJA UKRAINKA               

      Rhythmen

 
                I
Wo seid ihr geblieben, ihr lauten Worte,
Dass mein Gram ohne Stimme verstummt?
Zerflattert, zerflossen wie Fruehlingsgewasser
Durch Flaechen, durch  Tiefen, durch Schluchten...
Warum steht ihr nicht auf wie die Wogen am Meer,
Warum ruft ihr nicht mutig zum Himmel,
Uebertoent nicht den Gram mit dem klangvollen Schlag,
Nicht vertreibt mir vom Herzen den Kummer so schwer
Mit dem kraeftigen Drang wilden Sturmes?

Ich hab euch, Worte, dafuer nicht bewahrt,
Nicht dafuer mit dem  Herzensblut gesaettigt,
Dass ihr so fliesset, wie die traege Galle,
Und lagert auf den Seelen wie der Rost.
Zu hellen Strahlen, ungestuemen Wellen,
Zu Sternen leuchtend, zu den schnellen Funken,
Zu Blitzen donnernd, zu den scharfen Schwertern –
So wollte ich euch bilden, meine Worte!
Erweckt das Bergesecho – nicht das Stoehnen,
Trefft Menschenherzen, aber nicht vergiftet,
Seid echtes Lied, nicht elendes Gejammer –
Schlagt, ueberrascht, entzuendet, gar vernichtet,
Seid aber nicht ein flauer Herbstesregen,
Flammt und entflammet – aber nicht verdoerrt!

26/VIII/1900

                II
Soll es denn sein, dass nur als Blitze fliegen
Die Worte, aus dem tiefen Schmerz geboren?
Warum sie nicht hinaufgehen lassen
Wie hoher Lerchenstimme Silbergloeckchen?
Warum bestreun sie nicht den schwarzen Acker
Mit lauten erhellten Regenstrahlen?
Warum nicht tanzen sie im weiten Reigen,
Wie jene Blaetter, von dem Sturm  gerissen,
Wie Diamanten in dem Schneegestoeber?
Soll nur der Himmelstern je heller leuchten,
Je mehr gewinnt die Finsternis an Breite?
Soll nur im Maerchen Schneeballstrauch bluehen
Am Grabe des Ermordeten, und Menschen
Mit suessem Klang der Floete da bezaubern?
Soll weisser Schwan so nur im Maerchen sterben –
Nicht schreiend, sondern bis zum Ende singend?

26/VIII/1900

                III
Wenn es doch mit dem Zauber moeglich waere,
Die Strahlen in die Saiten zu verwandeln,
So machte ich daraus eine  Harfe, –
Da waere alles klar – der Klang, die Toene,
Und jedes Lied, dass auf den andren Saiten
Wie eine Stimme kalter Nacht erschallet,
Es wuerde auf meiner Harfe klingen
Wie ein Motiv, das nur in holden Traeumen
Der Kinder  toent. Und sollte tiefe Schwermut
Durch jene Toene weit vertrieben werden,
Wie weisse Nebel in den Sonnenstrahlen,
Die aus der Ferne mit dem Golde schimmern,
So wie ein gluecklicher verhaellter Traum.
Und alle Leiden wuerden sich vereinen
Zu einem Wohlklang dort in Empirien...

14/IX/1900

                IV
Ich wuenschte einst mit diesem Strom verfliessen,
So wie Ophelia, geschmueckt und unbesonnen.
Da hinten wuerden meine Lieder ziehen,
Wie jenes sanfte Wasser stille wogend,
Mal weiter, weiter...
                So dass stilles Wasser
Mit leichten Wellen leise mich umhuellte,
Und schaukelte, wie im lieben Traum,
So stille, stille....               
                So dass ich untaetig
Mich tragen und umhuellen weiter liesse,
Und leise, kaum hoerbar singend, schwaemme,
Und saenke in das blaue klare Wasser
Schon tiefer, immer tiefer...
                So dass endlich
Nur  noch ein  bleicher Nachhall meiner Lieder
Dort auf den Wogen bliebe, so als klaenge
Vergessene Ballade alter Zeiten
Mit ihren schon verbleichten Blut und Trauer,
An die sich niemand mehr erinnern koennte –
Das war so lange, lange her...
                Und dann
Auch jener Nachhall schwaende, nur die Blumen,
Die nicht mit mir zu Grunde untergingen,
Die schwaemmen noch, das klare Wasser wogend,
Bis eine kleine stille Bucht gefunden
Mit weissen Wasserlilien – und dort
Fuer immer blieben. Weisse Birkenzweige
Geneiget ueber starres kaltes Wasser;
Kein Hauch wehe in letzter stiller Zuflucht;
Und stiege da vom Himmel her auf Lilien,
Auf all die Blumen, die in Wahn gepflueckten,
Nur Ruhe, Ruhe...

3/XII/1900

                V
Nein! es ueberwinden, das kann ich nicht schaffen
Ein Lied, voller Wahnsinn, aus Schwermut geboren.
Von keiner Maske laesst es sich verbergen,
Kein helles Kleid kann ich ihm da anpassen, –
Ein Raubvogel schlaegt mit schwarzen Fluegeln
Und nur verletzt mich, wenn ich mit Gewalt
Ihn zaehmen will. Hey du, ein wildes Lied!
Nach wem bist ungehorsam du geraten?
Siehe doch auf mich, ich lache, wenn mein Herz
So schwere schluchzet, meine Augen, Stimme –
All unterwarf sich, ich bin still und ruhig.
Und du? Du bist wie ein  rasender Wind!

So hemmungslos, und ist dir auch egal,
Wenn Feuer du getroffen – machst zum Brande,
Die Wogen auf dem Wege  treibst zum Sturme,
Die dunklen Wolken mischest du zum Chaos,
Die arme Huette, meine letzte Zuflucht,
Du rollst mit der Lawine in den Abgrund,–
Ist dir egal!  Derjenige soll weinen,
Wer einen Funken unbedacht gelassen,
Wer seinen Kahn dem Sturme anvertraut,
Wer  auf den Weg sich in der Nacht gemacht,
Wer seine letzte Zuflucht, arme Huette
Am Rand des Abgrunds hohe hingestellt, –
Du bist gefluegelt, musst du also fliegen!

 Ja, freies, freies Lied! Zwar weiss ich nicht,
Was jene Freiheit bringt – Glueck oder Unglueck,
Ich habe keine Ketten ihr geschmiedet;
Weiss nicht, woher da kommt das feste Eisen,
Und welches Feuer sich zum Schmieden eignet.
Ich bin nur sicher – lange kann man schmieden,
Doch kommt die Zeit, wenn sie zerfallen muessen.
Dann wacht befreites Lied auf einmal auf,
Und bricht aus dem Gefaengnis, wie ein Schluchzen,
Das lange unterdrueckt und festgehalten
Im Herze war verborgen.
                Bittet nicht
Um Trost ihr alle, die ihr seid so traurig
Von diesem Lied. Nichts sanftes gibt es drin.
Es war geboren mitten in Verzweiflung,
Fuer seine Schwaeche will es sich nun raechen
Durch Feuer, Gift, zweischneidges Schwert des Grames.
Wenn Angst ihr habt – geht fort, ihm aus dem Wege!
Lasst dieses Lied in Einsamkeit  weit fliegen,
Wie Wirbelsturm durch kaltes Eismeer zieht.
Es braucht weder Traenen, noch euer Mitleid,
All, was es braucht – Freiheit ist und Raum.
Gewinnt man solche Freiheit nur in Wahnsinn,
Um ins Verderben frei damit zu rennen... 
Es fliegt ein  irres Lied – fort, aus dem Wege!
Das Leid hat kein Gewicht – so, wie der Tod!

1/II/1901

                VI
Wenn all mein Blut  unmerklich so verfliesse,
Wie diese Worte! Wenn mein ganzes Leben
In Stille so verschwinde, wie erlischt
Das Abendlicht!.. Wer hat mich hingestellt
Als Wache unter traurigen Ruinen?
Wer hat mir eine Pflicht auferlegt –
Die Toten wecken, Lebenden erquicken
Mit froehlich-traurigen Kaleidoskopenbildern?
Wer hat mein Herz so stolz gemacht? Wer hat
Der Kuehnheit Schwert zweischneidig mir gegeben?
Wer mich beruft zur heilgen Oriflamme
Der Lieder und der Traeume ungehorsam?
Wer mir befiehlt: verlass nicht deine Waffe,
Zieh nicht zurueck, sei munter, Schritt um Schritt!
Warum denn muss ich dem Befehl gehorchen?
Warum verlass ich nicht das Feld der Ehre,
Warum darf ich von meinem Schwert nicht sterben?
Was hindert mich die Worte bloss zu sagen:
„Ja, Schicksal, du bist staerker, ich ergeb mich!“
Warum, wenn ich der Worte so gedenke,
Greift meine Hand zur unsichtbaren Waffe
Erklingt der Kampfruf dann in meinem Herzen?

Kimpolung, 6/VI 1901

                VII
Oh, schwierig ist es, diesen Weg zu gehen –
So breit und weit, zerschlagen und verstaubt,
Wo Menschen  all wie eine Herde scheinen,
Wo weder Blumen, noch die Dornen wachsen!
Von weitem lockt die Augen jene Hoehe,
Die wie in einem goldnen Brande lodert!
Unueberwindlich mich verlangt, so hohe
Dort einen roten Wimpel zu befestigen,
Wo selbst der Adler baut sich kein Nest!

So leidenschaftlich strebe ich nach oben –
Durch Saende und Gebuesch hindurchzudringen,
Der gruenen Heine Rauschen zu hoeren,
In einen Abgrund tief hineinzublicken,
Mit schnellen Fluten laufend zu streiten,
Den kalten Glanz der Gletscher zu erreichen,
Mit meinem Lied ein Echo zu erwecken!
Mag mir der Wimpel ein Begleiter werden
Und mich auf harscher Strecke feste halten,
Bis endlich flattert er dort auf der Zinne,
Wetteifernd mit den wilden Bergeswinden.

Wenn aber trifft mich unterwegs so schwere
Lawine von den Gipfeln, wie ein Schicksal
Gestuerzet auf mein Haupt, so sinke ich
Ins Schnee wie in eine weisse Wiege.
Und sollen mich die Glocken nicht beweinen,
Ein freier, heller Wind mag dann nur singen,
Mag Schneesturm  mit frohen Liedern wirbeln,
Und Schneesterne in dem Reigen schwirren,
Und mit den kalten Kuessen mir zumachen
Die Augen so feurig, unvorsichtig...

16/VIII 1901

                VIII
Warum ich finde keinen Weg nach oben,
Dahin, auf jene goldene Anhoehe,
Zum blonden Woelkchen, durch den Mond erleuchtet?
Ich sah doch, wie das Woelkchen war geboren:
Es stand aus einem lauten Strom herauf
Als weisser Nebel, als farbloser Dampf,
Es zog so leise ueber Wasserflaechen
Entlang der tiefen Schluchten weit hinauf,
Erhob es sich, als ob mit schwerer Muehe,
Und flog nach oben, stossend unterwegs
An gruenen Tannenkaemmen, an den Stufen
Des blossen Steilhangs, an den Hirtenhuetten
Dort auf der Matte... So, als sich bemuehe
Ein Mensch um einen harten Aufstieg.
Und endlich kams heraus, auf den Gipfel,
Und laechelte zum Mond, ein blondes Maedchen,
Erstrahlte es dann wie ein lichter Traum
so hell und klar von oben. Wer erkannt
Da jene schwere, graue, feuchte Wolke,
Die sich so muehsam durch die Tiefen schleppte?

Ihr Berge, Berge mit den goldnen Gipfeln!
Warum verlangt es mich nach euch so heftig?
Warum ich liebe euch so stark und traurig?
Und soll es sein, dass mir ist nicht beschieden,
Die sehnlichsten Anhoehen zu erreichen?
Wenn keine festen Fluegel mir gegeben,
Dass ich wie eine Adlerin auffliege
So hohe, ueber alle hoechsten Berge,–
Dann wuensche ich mir volle Traenenfluten,
So heisse Traenen, ungestueme, jaehe,
Die reissen sich von Herzenstiefen los
Als Wasserquell, erfrischend und belebend.
Aus diesen Fluten sollte meine Seele
Aufstehen und sich mit schwerer Qual begeben
Auf jene ewig leuchtende Anhoehe,
Die meine Augen von weitem lockt
So unzugaenglich, wie ein Hochgebirge,
Wohin ich nur im Traum fliegen kann.
Und mag es sein, mein Geist, wie jenes Woelkchen,
Dort in der Hoehe ganz verwandelt wird,
Durch jenes reine hohe Licht erleuchtet.

Burkut, 4/VIII/1901