Es liegt bei dir

Анна Бовель
In Not und Krankheit hab ich dich erzogen,
Ich war dir treu und hab dich nicht belogen.
Ich gab dir alles: meine Seel und Herz,
Auch wenn ich Kummer hatte, Leid und Schmerz.

Du bist jetzt gross, doch `s war nicht immer so,
Du hattest mich, Geschwistern so-wieso.
Vom Vater war schon laengst mehr keine Spur;
Der war nun frei. Ganz freie Kreatur.

Ich gab dir das, was selber ich besass:
Liebloses Herz, dir machte es kein Spass.
Von meinem Vater hab ich das geerbt;
Wie auch bei ihm, so war mein Herz gekerbt.

Er war stets streng und zeigte kein Gefuehl:
Ganz dominant und rechnerisch und kuehl.
Was war ganz tief in seinem Herzen drin?
Das weiss ich nicht, auch wo ich aelter bin.

Verzeih mir, Schatz, dass ich dir wenig gab
Von meiner Liebe, die war tief im Grab.
Du sahst so wenig Zuneigung von mir;
Es tut mir leid, ich war gemein zu dir.

Ja, Schuldgefuehle sind ne schwere Last.
Auch meine Schuld, dass du so viel verpasst?
Kein Mann, kein Kind, kein Geld und keinen Job.
Du bist doch jung und klug, also tipp-topp.

Ich will so gerne dir zur Seite steh`n.
Ich will, dass wir uns beide gut ersteh`n.
Ich will fuer dich das Beste, o mein Kind.
Mach was aus dich, verlass das Labyrinth.

Ich will dich lieben nicht wie du s verdienst,
Du bist mein Kindlein, nicht bei mir im Dienst.
Die Zeit flieht schnell, so schnell flieht sie dahin.
Wie lange noch? Und dann, mein Kind, wohin?

Du denkst bestimmt: „Ach Mam, lass mich in Ruh!
Ich bin erwachsen, weiss schon was ich tuh.
Schon tausendmal hast du mir das gesagt.
Hoer bitte auf, das ist schon abgehakt“.

So denkst du wohl, ich kenn dich gut genug,
Doch der Gedanke dein ist Selbstbetrug.
H;r doch auf mich, aus meinen Fehlern lern,
Auch eigne machtest du genug und gern.

Denn siebenundzwanzig ist kein kleines Stueck.
Komm, raff dich auf, ergreif das wahre Glueck.
Es liegt bei dir: verwerfen oder nicht;
Errettung erben oder das Gericht.

11.01.2009