Wein der Freude, Wein der Trauer Vin gai, vin tris

Àííà Ñòðîì
( Ubersetzung von Russisch auf Deutsch von Peter Oram )


Mit jener Freude, jener Trauer
hat gefuellt der Koerper sich,
hat geatmet tief, und wieder
sich gewaermt im Sonnenlicht.

Nektar reift in freien Winden,
wo die duerren Weiden steh‘n;
Trauben, vom Gezweig umwunden,
am Weinstock wunderschoen zu seh‘n.

Mit Rausch vom herben Wohlgeruche,
lockt mit saft‘gen Wangen dich,
- oder mit dreimal verfluchter
Vergessenheit dich ruft zu sich

der Wein-Geist, froh und ohne Bleibe,
doch auch unabaenderlich
wie Suende, wie der Seele Liebe,
wie ein unsterbliches Gedicht.



DIE FUENFTE JAHRESZEIT:
AN ANNA ACHMATOWA

Fuer sie trug die Welt keine Spuren
von unserer Alltaeglichkeit,
denn so eine Liebe gibt’s nur in
der fuenften - koennt’s sein - Jahreszeit.

Und welche unglaublichen Traeume
hat durch sie diese Liebe gemalt?
Sie verwandelte irdische Raeume,
bis alles wie Paradies strahlt,

Auf den Saiten der Adern und Sehnen
spielte sie - mit Leidenschaft,
und verdoppelte mit ihren Kraeften
Achmatovas eigene Kraft.

Sie liebte, verlor die Geliebten,
doch glaubte sie innig daran,
dass die Jahreszeit nur solcher Liebe
dem Winter den Tod bringen kann.

LAECHERLICH

Ach, wirklich, so ist's!
Alles war vorgedacht:
hast du alles am Anfang geplant?
Bist dir lang schon bewusst
meines Fuenf-Pfennig-Werts,
oder hast du ihn erst jetzt erahnt?

Ach, ja, ja - so ist's!
Wissen koenntest du's nicht,
hattest keine Erfahrung bis jetzt!
Wie laecherlich ist's:
Mutter, Schwester war's nicht,
sondern Ehefrau bei dir im Bett!

Also wirklich - so ist's?
Soll dich nicht gut verstehen?
Soll dich gleich von der Leine befreien?
Der Fruehling ist da -
willst hinaus, spielen gehen!
Ich hatt' auch mal ein paar Spielereien...

Also wirklich - so ist's?
Du verstehst mich nun nicht?
Komm, mit groessen Gefuehlen ist's aus!
Klar, laecherlich ist's -
aber jetzt sind wir quitt,
und das war's - also Vorhang! Applaus!

ZWECKLOS

Die Liebe, federleicht und keine Buerde
brach in das Haus herein - und gleich verschwand.
Doch meiner Haustuer ich vergeben werde,
dass sie sich oeffnete, nicht widerstand.

Rastlosigkeit laesst sich doch nicht vertreiben,
das Haus, es speichert sie wie ein Gefaess
und ich vergebe meinen Fensterscheiben,
dass Lieb' durch sie gestohlen worden ist.

Weil wir an Wuenschen und Verlangen leiden,
und weil ich faehig zu vergeben bin,
weil's Zaertlichkeit im Treffen gibt, im Scheiden,
dem alten Bett vergeb' ich immerhin.

Weil's muede Zeiten gibt und sanfte Zeiten,
weil kraeftig, doch verletzlich ist das Wort,
vergeb' ich allerhand Zwecklosigkeiten,
dass anderswo setz' sich die Liebe fort.

CHOPIN - IMPROMPTU-FANTASIE

Entfuehr mich nicht aus dem Verliese,
nein, lock mich nicht in deine Welt,
Chopins Impromptu-Fantasie ist
mir unzertrennbar zugesellt.

Ich kenne nicht der Nacht Behagen,
auch des Erwachens Freude nicht,
nur Wellen, die zusammenschlagen,
den Sturm, der aus dem Himmel bricht.

Bacchus und die Musen schweigen,
Olympia wird schon ruhig - sieh,
wie lauschend sie die Koepfe neigen...
nur du hoerst nicht zu - also geh.

Es gibt viel, dich zu amuesieren,
einfache Freuden - suche sie!
Wie diese Klaenge mich beruehren,
so kannst du mich erregen nie.

Nein, Schatz, Untreue bin ich keine,
ich bin fantastisch treu, bei Gott!
Doch bin ich treu Chopin alleine.
f;r dich bin ich schon lange tot.

BEETHOVENS 2. KLAVIERSONATE

Genau so war alles: die Traenen, die Tage,
die Wanduhr mit ihrem gleichmaessigen Schlage –
wie Fuesse, die treten, wie Beethoven trat in
dem Largo der zweiten der Klaviersonaten...

...Nun reiss dich zusammen, und Schluss mit dem Weinen,
ein Henker schrieb diese Musik, muesst’ ich meinen.
Wie ruhig die Katze ist, leckt ihre Pfote.
Geh einkaufen, such‘ dir ’nen Hut, letzte Mode...

...Ich bleib lieber still, die Musik will ich h;ren,
ich werde die ewige Seele beruehren.
Die Sterblichkeit tropft in der Dunkelheit nieder –
du hoerst nicht? Das Paradies gibt’s immer wieder...

... Einen Hut willst du nicht? Eine Freundin wohl dann,
die erste, die man bei der Hand packen kann.
Einen Hund oder Ehemann – nimm doch die beiden,
dann kannst du an doppelter Muedigkeit leiden...

...willst lachen, nicht? Ich aber habe viel Zeit.
Bin fort in der himmlischen Klang-Seligkeit,
und niemand bemerkt, wie das donnernde Schlagen
durch Adern und Venen ich muss nun ertragen...

...Gib’s auf! Bei Musik gibt es Wahrheiten nicht,
wie sie’s gibt in den Worten, die jedermann spricht,
und das, was du darin zu hoeren jetzt schwoerst
waere nur das, was du von dir selbst in dir hoerst...

...Kein Mensch koennte hoeren das ewige Schrei’n
bei solcher Verwirrung - die Gottheit allein...

...Auch Gott hoert dich nicht, allem Jammern zum Spott,
Beethoven war taub – doch noch tauber ist Gott...

DIE WAHL

Zwei uebel... eins hab ich gewaehlt -
Dich! Bezahlt hab ich teuer die Wahl ,
sagt' mir tausendmal 'nein', doch manchmal
tu ich nicht, was der Kopf mir befiehlt.

Meinem Schatten gleich folgtest du mir,
du musstest mich staendig einschraenken.
'Anders denken' war fuer dich 'faul denken'.
Protestierte ich, 'Streit' war es dir.

Ob ich schlief oder las noch im Bett -
keine Einzelheit war zu versaeumen:
mein Denken, mein Fuehlen, mein Traeumen -
bewertet hast du jeden Schritt.

Deine Liebe, die war Quaelerei!
Solche Treue liess mich Sklavin werden!
Solche Augenbrauengebaerden!
Und der Blick - der liess niemals mich frei.

Immer wieder entschuldigst du dich,
doch musst' ich die Dienstmagd ersetzen.
Ich schaud're noch heut' mit Entsetzen!
Dass ich's doch ueberlebt, staune ich!

Meine Rechte will ich. Ich entscheide:
Ungluecklichsein oder Alleinsein?
Das Recht, Dummes zu waehlen soll meins sein:
Von zwei uebeln waehl' ich... alle beide!

SO GEHT ES

Komm, tu es doch endlich – verlasse mich – lauf!
Das gibt es ja manchmal im Leben.
Und bei solchen Frauen nun passe gut auf,
Die alles dir einfach vergeben.

Denn, sprichst du mir keinerlei Vorwuerfe aus,
Wirst umso mehr Schuld auf dich heben.
Der Bruch musste sein, doch das stille Zuhaus
Wird stoeren, dir keine Ruh’ geben.

Die Qual hat kein’ Zweck, so was wei;t sogar du.
Die gibt es doch manchmal im Leben,
denn schlaegt man auch krachend die Wohnungstuer zu,
Sie oeffnet sich noch – kann vergeben.

Kein Zoegern – nun weg, ueberleg nicht so viel,
So ist es von Zeit zu Zeit eben:
Fuer zwei zu entscheiden, ohn’ Schwung, ohne Ziel -
Das ist mir zu viel, dir kein Leben.

Du regst dich gar nicht, bist zu faul und zu tr;g.
Das Essen steht fertig daneben...
Komm, iss doch – vor dir liegt ein schwieriger Tag.
So ist es ja manchmal im Leben...

WIEGENLIED
Verkriech dich ins M;uschenversteck und schlaf ein,
sie vergeh’n schon, die schwierigen Zeiten.
Wer litt einmal nicht unter Kummer und Pein?
Die Welt wird dem Schmerz nie entgleiten.

Komm, deck dich nun waermer, mein Schatz, und schlaf ein,
sie vergeh’n schon, die schwierigen Zeiten.
Russlands Winter ist kalt, kaelter muss der doch sein,
unter dem die Verlassenen leiden.

Nimm deine Tabletten, pass gut auf dich auf,
sie vergeh’n schon, die schwierigen Zeiten.
Mit Suenden kommst nicht in den Himmel hinauf,
doch Suender gibt’s auf allen Seiten.

Die Schiffe, sie fahr’n auf den Ozean hinaus -
(komm, ich waerm’ deine Haende - sie frieren)
- doch ein Schiff ist ein Fisch, der im Hafen zu Haus,
und es muss eines Tags wiederkehren.

Quael dich nicht mehr mit Anklage und Schuld,
lass die Trauer nicht dich ueberschwemmen,
der Schmerz geht vorbei - nichts mehr bleibt: hab Geduld,
denn bei mir bist du immer willkommen.

Ein Schluck Wasser stillt Durst an dem heissesten Tag,
warme Socken vertreiben den Frost;
Schlaf ein, denn Vergeh’n auch Vergeben sein mag -
doch vergeht nicht, so hoff' ich, der Trost.

DIE LUEGE

Ich gehe weg, es endet jetzt, ich hab's entschieden
denn keine Unterstuetzung brauche ich von dir.
Drueck meine Hand nicht so, das schmerzt, lass mich in Frieden
Das ist nicht Liebe - ist Zusammenwohnen nur.

Du spieltest glaenzend deine Rolle, theatralisch!
"Bist meine Goettin, und dein Sklav' bin ich!" - Mein Gott!
Doch will ich praktisch sein, nicht so melodramatisch.
Lass los, das schmerzt, ich brauche Ruh, jetzt geh ich fort!

Die Luegen: "Dich nur lieb ich! Bin verrueckt nach dir!
Will keine Dienstmagd, nein, 's gibt viele hierzuland!"
Der Mann verliebt sich durch den Magen, wissen wir...
Lass meine Hand doch los, lass, bitte, meine Hand...

Durch alle Leidenschaften, Wuensche, Visionen
da logst du: "Fuer dich heb ich Berge, dreh die Welt..."
Lass meine Hand! Wie dumm sind solche Illusionen!
Wie zynisch! Ohn' Erroeten hast du dich verstellt.

Die Luegen! Dass bei dir die Liebe ich nie fand,
werd ich dir nie vergeben, das versichere ich dir......
Doch... wie...? Was machst du da? Du laesst los meine Hand?
Wo gehst du hin? Nein, wart! - Natuerlich bleibe ich hier...

GAEBE ES NICHT DICH...

Niemals w;sste ich, g;b' es nicht dich,
wie im Fr;hlingswald die Knospen beben,
wie aus Dunkelheit auf einmal sich
die ersten Bl;tter dem Licht ergeben.

Niemals w;sste ich, g;b' es nicht dich,
wie an wunderroten Sommertagen
aus Strahlen einfachen weissen Lichts
hohe Regenb;gen Br;cken schlagen.

Niemals w;sste ich, g;b' es nicht dich:
wenn der Regen tobte, Winde wehten,
dass Blumen bl;hten allein f;r mich
im Herbst auf diesem blauen Planeten.

Niemals w;sste ich, g;b' es nicht dich,
wie machtlos der Frost, die Hagelst;rme -
keine Winterk;lte merkte ich,
so warm ist es mir in deinen Armen.

Niemals w;sste ich, g;b' es nicht dich,
wieviel bedeuten des Tangos T;ne.
Niemals w;sste ich, g;b' es nicht dich,
dass Frau ich bin... eine wundersch;ne!...
DANKBARKEIT

Komm, erfrische mich, gib zu trinken mir -
und ich werde dich doppelt belohnen:
den vornehmsten Schmaus bereit' ich dir vor,
mit der Fuelle werd' ich dich verwoehnen...

Und entzueckst du mich, singst ein suesses Lied -
so werd' ich dich dreifach belohnen:
mein Pferd waessre ich, reit' hinter dir mit
fort in fremde und weite Regionen...

Laesst du mich mein' Hand auf der Schulter ruh'n -
dafuer werd' ich dich reichlich belohnen:
werde wie eine Wand dir im Ruecken steh'n,
undurchdringlich wie Bergbastionen...

Machst ein Zelt f;r mich aus weissem Tuch,
mich vor Regen und Winde zu schonen -
einen Teppich web' ich in nur einer Nacht,
blau mit Goldrand, um dich zu belohnen...

Und sch;tzest du mich vor der Menschen Spott,
werde hundertfach ich dich belohnen:
verlassen werd' ich meinen eig'nen Gott,
mich zu beugen vor deinen Ikonen.

Und schuetzest mich so, dass ich keinen sonst lieb',
muss als Sklavin ich stets bei dir wohnen:
kannst du so besser ruh’n, ja, auch das wuerd ich tun
und mit Liebe dich masslos belohnen...

DAS GAB'S NICHT

Das ist nicht mir passiert, so was gibt es nicht:
all die Pappeln voll Flaum, weiss wie schneebedeckt,
und der Weg dahin, mir schon so wohlvertraut,
den ich hundertmal ging, stets mit Gaensehaut,
der mein Hirn sich mit Zweifeln verdrehen liess
meinen schlechten Ruf laut herumgehen liess,
und, was ich noch weniger fassen kann:
dass mein Kopf so die Schultern verlassen kann,
und ich steh vor der Tuer, die verschlossen ist,
und mein Selbstvertrau'n gaenzlich verflossen ist
und die Stunde bleibt stehen, Zeit verzoegert sich...
was passierte mir - oder passierte nicht?
oefters frage ich, doch mir vertrau' ich nicht...

ANTRAG

Ein echter Schurke sind Sie, gnaed‘ger Herr,
Ein Hengst auch noch dazu, so mein ich!
Sie lachen? Nein, und ich - ich wein nicht,
Sie tun mich einfach furchtbar leid, nichts mehr!

Ein Baer aus dunklem Wald im Sonnenstrahl,
und unerzogen auch, so mein ich!
Sie lachen? Nein, und ich - ich wein nicht!...
Sie, Grobian beim Ballett zum ersten Mal!

Ja, Strohmatratze sind Sie, Plappermaul,
und infantil dazu, so mein ich!
Sie lachen? Nein, und ich - ich wein nicht -
denn Weinen strengt mich an und ich bin faul.

Wer Sie gelehrt hat, so vulgaer zu reden
mit Frauen, der muss ein Klotz sein, mein ich!
Sie lachen? Nein, und ich - ich wein nicht -
Wer hat Sie, grobes Mannsbild, eingeladen?

Der Tee ist fertig... Was? Sie wollen mehr?
Mein Herz und meine Hand? Doch... nein, ich
glaub, Sie scherzen?... Nein?... ich wein nicht!
Einverstanden schon, mein gnaed‘ger Herr!

EINES TAGS...

Fuer alles nutzlos, verloren, aufgebraucht
fuer Menschen, Dinge, selbst fuer unsre Kleider,
entflohen dem Licht, der Wirklichkeit, wir beide
uns hastig von dem Drang des Poebels scheiden,
in eigenen Weihrauchsrausch geheim getaucht.

Und unsere Koerper, auf einmal befreit,
strecken sich sehnend, greifen nach einander,
zum Sprechen sind wir gar nicht mehr imstande,
Im Eilen fallen Woerter auseinander,
und wir sind eins, wir sind nicht mehr zu zweit.

Beruehrung ist alles, wie, unaufhaltsam,
gleich Blinden wir uns um einander drehen,
schon im Voraus wir fuehlen, tasten, sehen
das Paradies der Naehe, und die N;he
des Paradieses - oeffne dich, Sesam!

Die Zeit, vergessen, hinkt an unsren Fersen,
die Uhr hat ihren Wandplatz aufgegeben,
kommt schwankend her, um ;ber uns zu schweben,
sich ganz den Donnerschlaegen zu ergeben,
dem besessenen Galoppschritt zweier Herzen.

Und uns Verlorenen ist es einerlei
was dann passiert: wir taumeln schon ins Licht
zurueck, schon finden Augen wieder Sicht,
die Koerperteile sind bloss Staub, mehr nicht,
wir merken, dass wir wieder sind doch zwei.

GLAUB MIR’S

Die Liebe, glaub mir’s, ist nicht schuld daran,
die zwei sich in die Arme so unaufhaltbar treibt,
bis ihnen weder Hemmung noch Bekleidung bleibt -
sie schleppt sie nicht zum Abgrundsrand heran.

Die Liebe, glaub mir’s, ist nicht schuld: es gibt
ein’ unbrechbare Macht, die schuf den k;hnen Drang
zum Fallen, bis am Ende nur der Kleinkram - Klang
der Eitelkeit, Neid der Leute - uebrig bleibt.

Die Liebe, glaub mir’s, ist nicht schuld daran,
ist blind, wie diese Kraft dazu auch taub sein m;sste:
grenzenlos gequaelt mit Durst wie in der Wueste,
so bleibst du ihr versklavter Untertan.

Die Liebe, glaub mir’s, ist nicht schuld daran,
es lockt zur Katastrophe eine maecht’gere Kraft
als Liebe, grausamer als Tod - die Leidenschaft.

ERKLAERUNG

Klingel kaputt? Hat grade noch gefehlt!
Kommen Sie ‘rein - ja, ja, genau, Sie stoeren,
mein Othello, stur, mit grauen Haaren -
will Kaffee, Tee der kriegerische Held?

Sie wollen also gleich eine Erklaerung?
Nein - war nicht krank, hab‘s satt nur - Sie kapieren?
‘s ist alles weg, nun kein Moralisieren,
kein Beduerfnis aerztlicher Verklaerung.

Alles ist vorbei, und hoffentlich
gibt‘s keinen Tadel, keine lange Predigt,
kein Jammern mehr, kein ‘Gott, ich bin erledigt!‘ -
F;r zwei putz‘ ich den Boden laenger nicht.

Zu Ende ist die Typisch-Hausfrau-Zeit,
der Mangel an Respekt in allen Dingen,
der Wettkampf zwischen Wollen und Gezwungen,
Anspruch an Guete und Gerechtigkeit.

Ich bin schon fort. Ich nahm schon Abschied. Seit
dem Tag, wo wurde aus ‘per Sie‘ - ‘per Du‘,
wurd‘ alles dumm und kleinlich, und im Nu
gab‘s unertraeglich oede Einfachheit.

SIE LIEBTE IHN...

Eh’ sie Bruecken bauen liessen,
schien der Strom mir breiter zu fliessen;
endlos die Laender sich streckten,
bis wir zwei einander entdeckten.

Schwer ist es, im Dunkeln zu reisen,
drum sollen wir dankbar Gott preisen:
Er laesst ja die Sonne aufsteigen...
was - siehst du Ihn nicht? - besser schweigen!

Wir sind doch zu zweit, also kann dich
kein Donnerschlag treffen - entspann dich!
Kannst nicht? - Geduld dann, ertrag es!
Willst nicht? - dann schreie nur, wag es!

Hoerst du hinter uns schon die Flutwelle? -
beeilen wir uns, komm - lauf schneller!
Kraft hast du nicht! - dann nimm meine!
Willst nicht? - dann ertrinke alleine!

Hast Angst? - wir umarmen einander!
...Du magst mich nicht!? - Such eine Andere!
Los jetzt, du bloeder Verlierer!
Hau ab, geh zum Teufel, krepiere!...

...Du weinst ja?...Vergib mir, vergib mir...


ER LIEBTE SIE...

Obdach gab er Dingen, die
ihm halt erregten die Gefuehle:

Schultern, die erzitterten
beim Hoeren Chopinscher Etueden,
den Zaertlichkeiten ihrer Hand
mit der altmodisch weissen Haut,
einst in Paris als ‘tres charmant’
geschaetzt, die doch wie tot ausschaut;

der Augentiefe - zwei Ovalchen,
wo, in Sehnsuchts-Aquamarin,
ein Teufelchen beginnt sein’ Walzer,
die Flammen spiegelnd vom Kamin;

den verworrenen Gedichten;
dem Lueften jeder Leidenschaft,
jedes Naturtriebs; ihren Lippen -
als Blitzableiter fabelhaft! -

der Haare lockigem Gewuehle,
die selten baendigte der Kamm...
und dem Auflodern der Gefuehle
bei ein paar Tuenen von Chopin!

DICHTERLIEBE

Orpheus, Juengling, Mischling,
Fruehmorgens-Aufgetauchter,
dein Bildnis eine Mischung
aus armem Lump und Dichter,
wie ein Landstreicher gluecklich -
du machst mein Glueck zunichte.

Den Wein und weiche Semmeln
wir gleichmssig verteilten;
du glaubtest an des Himmels
Manna, an Weihnachtszeiten,
an Rettung aus der Krippe,
an Sakramentswahrheiten.

Du hast mit mir gelitten,
das Hemd vom Leib du risst,
bist von mir weggeschritten -
nun am Schaffott du bist:
dort tilgt man dein Gewissen,
bis dir todesbange ist.

Du riebst das Herz mir wunde,
mein Koerper leidet sehr,
mein Leben ging zugrunde,
doch... das ist hin wie her...
du bist mir gleich im Grunde -
doch wollt’ ich, du waerst mehr!

DANACH

Im Maerchenglauben bin ich schwach,
und ich weiss ja, dass danach
geschehen wird kein Wunder mehr:
ein Teufel laeuft mir hinterher
(kein Zufall - traf wie Donner mich,
gezielt und unabaenderlich -)
und ich geh auf den Teufel zu,
streck aus die Haende, fleh um Ruh -
fleh an, dem niemand widersteht
und der dich mit Gewalt umdreht;
ich hab kein’ Macht mehr ueber mich -
des Teufels Sklavin werde ich,
und auch wenn man mich ersticken sollte,
die Rolle zu End’ ich spielen wollte.
Das Kreuz ist jetzt ein Holzstueck bloss,
der Tempel - wirr, bedeutungslos.
Mir stockt der Atem in der Kehle,
ich fuehle nur, wie meine Seele
ausgespielt wird, wie beim Kartenspiel
- ich hoer ihn jetzt im Garten,
pfeift vor sich hin... ging er doch fort,
verloer’ ich mein’ Verstand sofort.
Jetzt ist die Kartenfarbe ‘Herz’ -
danach - ‘Kreuz’! - Gottesstrafe! Schmerz!
Der Ort mag schon gelaeutert sein,
ist doch kein Paradies, o nein:
ein Tempel nur - dies’ Wort magst drehen,
wird nie draus ‘Paradies’ entstehen,
drin kannst du leben, kannst verrecken,
doch solch’ Ekstase nie entdecken,
und Suende bleibt geheim nicht dort -
vergib mir, Gott!
vergib mir, Gott!
- nur Tempel, Kreuz, Ermahnung , ach!
...doch alles das kommt erst... danach...

GEHEIMNIS

O Frau, o Priesterin im Tempel Melpomenes,
du glaenzst dort, wo dein Leben haengt an einem Haar,
und kein Gift gibt‘s, das s;;er als das heimliche Begehen
des Selbstverrats - ja, wahrlich, der Selbstverrat in dir.

Ein Gefuehl von Schaerfe gibt es an des Abgrunds Rande,
die Messerklinge brennt und friert in einem Zug,
das Leben kostet nichts und gibt dir nichts zum Pfande:
du gibst dich gaenzlich hin in hemmungslosem Flug.

Am Ende deiner Kraefte vom Stets-die-Gute-Spielen,
hier kannst du dich befreien in der Nacktheit der Natur,
kannst dich verschlingen lassen von dem Verrat der Seele
an sich selbst - ja, wahrlich, vom Selbstverrat in dir.

EINE MUECKE (BETTGESPRAECH)

Welche Muecke hat mich nun gebissen?
Ach, diese Kleinstadtruhe nervt mich sehr!
Wie ich der Metropole Drang vermisse!
Sogar ein Untermieter schon was w;r...

... so’n Husar hier im Haus waer’ zu gefaehrlich?
Na ja, vielleicht verliebt er sich in mich!
- keine Chance, nein, nein, aber ehrlich!
Argwoehnisch bist du? - ach, wie laecherlich!

...und wenn sogar ein General er waere,
mit ersten grauen Streifen in dem Haar -
ich braeucht’ erst recht nicht so eine Affaere,
vor deinem Blick, bin schon zu alt dafuer!

...’ne Lehrerin, gewesene Diva suchen?
Aus Rache etwa? - nein, nicht mal ’ne junge!
Wann hast du vor, die Hauptstadt zu besuchen?
- nein, nein, ich such nicht Zeit fuer Seitenspruenge!

Dir wird kein Mann, mir keine Frau je passen!
Du willst die alte Langeweile? Gott!!
...- was machst du? - hat ’ne Muecke dich gebissen?
Pass auf, pass auf - du machst das Bett kaputt!

WINTERWALZER

Hab nicht Angst vor dem Winter, sei munter:
vor dem Fenster der Schneesturm laesst nach,
kreist im Dreivierteltakt eines Walzers,
legt sich nieder zum Schlafe danach.

Zart gestreichelt von Wintertagssonne,
wie sich Kaltes wie Feuer blitzen laesst!
und es heiligt das himmlische Manna
zutiefst das weihnachtliche Fest.

Das alte Jahr tobt bis zum letzten -
der Greis will bloss zeigen, er kann‘s,
und den Dreivierteltakt seines Walzers
hoer ich rufen. Komm mit mir zum Tanz!

DIE EWIG-BEREUENDEN

...und kehr‘ ich heim, freust du dich doch?
Und rufst‚‘es gibt ja Wunder noch’?
Machst du geschwind die Haust;r auf?
Und wirst du Glaeubiger gleich darauf?
Und stirbst du nicht vor Langweile,
wenn wir vereint sind, Leib und Seele?
Wenn wir das gleiche Elend leiden?
Wird jeder Nachbar uns beneiden?
Wirst mir den letzten Pfennig schenken?
Nie an Betruegen, Schlagen denken?
Gibt‘s nicht mehr jene Quaelereien?
Werd‘ ich ‘genug! - Ich sterbe!’ schreien?...
...‘s gibt Hoffnung noch im Leben!?

Schwoerst‘s??

...Nein - du bleibst wie du immer warst...

SCHWARZE TAUBE

Er war ein kohlpechschwarzer Taeuberich
mit einem Bein, und heute wohl durch mich
hat Gott ihn fuettern lassen, und ich stand
und streute Koernchen fuer ihn aus der Hand.

Er war ja tapfer, wenn auch schon betagt,
noch immer stark, haett‘ alles noch gewagt,
war jeden auszutilgen stets bereit
nur fuer ein Federchen aus ihrem Kleid.

(Es gibt doch Maenner, deren Hoechstes nicht
die Leidenschaft ist, sondern Ehr‘ und Pflicht.)

Die, die er liebte, war nicht elegant,
war aber trotzdem feurig und charmant,
Verehrung nur erwuenschte sie fuer sich
und Almosen am Kuechenfenster nicht.

Und er verstand‘s, mein weiser Taeuberich -
Furier, Krieger, Held, dem das Gefecht
wie eine Widmung war, und auch noch ein
Beweis des edlen Bluts, fuer sie allein,

und kamen unerwuenschte Freier, die
vertrieb er - welche Pflicht und Ehr‘ fuer sie!
So sang sie ihm das Hohe Lied, gab sich
ihm hin, dem schwarzen Einbein-Taeuberich.

ES GIBT NICHTS ZU SAGEN

Wie sinnlos, dieses leise tut mir leid,
das keinen Inhalt hat, nur den Verlust,
die Schwere leerer Hoffnungslosigkeit.
Hast nichts zu sagen? - Weil du schuldig bist.

Was nennst du gut, was boese eigentlich?
Und bin ich nicht die Tugend in Person?
...das brauchst du nicht? Dann sieht‘s schlecht aus f;r dich.
Du sagst nichts? - Gott soll Zeuge sein davon.

Denn Er allein kann solche Fuelle tragen
von Vergeben. Richter war er nie.
Zum Abschied bleibt mir nur noch dies zu sagen:
Ich habe nichts zu sagen. Gott helf‘ dir!