Damit wir Mensch wuerden

Ôëîðåñòèíà
Damit wir Mensch wuerden

 Wenn man das Neue Testament liest, dann stellt man fest, dass Jesus wohl alles mögliche war, aber ein Stoiker und ein Asket war er nicht. Er sorgt für Aufruhr, wo er auftritt. Er ist unbequem. Er pruegelt die Pharisaeer aus dem Tempel. Als Genießender weckt er das Unbehagen der Gelehrten, die ihn als “Fresser und Saeufer” titulieren. Er liebt, die Huren und Zoellner ebenso wie alle anderen Verstossenen, und den einen besonders – Johannes, der ihm buchstaeblich am Herzen liegt.

 Und das, was fuer viele auch heute noch undenkbar, ja nahezu ein Affront ist: er liegt im Garten Gethsemane auf den Knien, in Todesangst. Und bittet in seiner Schwäche die Juenger, zu wachen und zu beten. “Meine Seele ist zu Tode betruebt“…

Und wenn er denn die inkarnierte Gottheit war, waere es ihm sicher leicht gefallen, dort wo die Angst war, ein Meer der Ruhe hinzusetzen, und da wo die Betrübnis war, ein Meer der Freude. Aber genau das tut er nicht. Er geht hindurch. Durch die Angst und durch die Betrübnis, durch die Einsamkeit angesichts seiner laengst eingeschlafenen Juenger, hin zu einem “Dein Wille geschehe, nicht meiner“, und das heisst zunaechst mal nichts anderes als dass sein Wille und der des Vaters nicht deckungsgleich waren.

 Das ist vollkommene Hingabe. Das ist Sinken auf den Grund eines unerträglichen Gefuehls im Vertrauen darauf, dass unten am Grund die Arme Gottes warten und auffangen. Das ist Annehmen dessen, was ist. Sich einlassen auf alles, was über den Horizont des Menschseins hinausweist.

 Und wenn es heisst, “Gott wurde Mensch, damit der Mensch Gott werde” (Augustinus), dann fuegt etwas in mir hinzu: wohl auch, damit wir Mensch wuerden