28. Sonntagsseminar

Ýììà Êëåéí
 Ich liebe das
 " Zuhoeren "
 Nein - nicht die Worte...
 Ich hoere
 gerne die Blicke,
 die Gesten...
 Ich hoere
 gerne die Seele
 der Menschen!

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 Das aengstlich umzaeunte Glueck

 Ich kann sie nicht mehr sehen und hoeren, all die „Fuck everything that doesnt make you happy“-Memes, die „Lass alles liegen, was Dich runterzieht“- Aufrufe, oder die trotzigen „Ich habe beschlossen, alles Negative hinter mir zu lassen“-Statements. Da wird von Glueck geredet, als habe man einen verdienten Anspruch auf Rund-um-die-Uhr-Erfuellung, und je lauter wir aufstampfen, so glauben wir wohl, um so schneller kommt das Glueck herbei.

 Jene, die unter die Raeder gekommen sind, durch Krankheit, durch Arbeitslosigkeit, durch psychische Ueberlastung, durch den puren Umstand, dass sie nicht in einem Land des Wohlstands und der medizinischen Versorgung geboren worden sind um sich fortan luxuriöse Gedanken um ihren Gluecksquotienten machen zu koennen, die haben in der prallen Glueckswelt keinen Platz. Wohl gehoeren sie zu der Manaevriermasse „Negativitaet“, die weit aus dem eigenen Gesichtsfeld geschoben werden muss.

 Man darf annehmen, dass Jesus Zoellner, Moerder und Todkranke wohl nicht wegen ihrer gluecksinduzierenden Gesellschaft aufsuchte. Man darf vermuten, dass Ghandis unzaehlige Hungerstreiks zur Verhinderung eines Buergerkriegs sich keinem selbstsüchtigen Gluecksbedürfnis verdankten. Und wir duerfen auch meinen, dass eine Malala sich nicht weiter mit den Taliban beschaeftigen wuerde, wenn sie beschlossen haette, alles Negative aus ihrem Leben zu verbannen. So hoch stapeln muss man aber nicht mal, um zu sehen, wie absurd die blindwuetige Gluecksjagd ist: denn ein jeder hat in seiner Erinnerung wohl Momente, in denen wir selbst ungluecklich, krank, unausstehlich, in Not, in negativen Gedankenwelten gefangen oder schlichtweg am Ende waren, und dann gerade von jenen getragen und angenommen wurden, fuer die tatkraeftige Liebe einen weit hoeheren Stellenwert hat, als der Wunsch, immer auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen.

Was ist denn das fuer ein Glueck, das Angst vor dem Leiden des Anderen hat, das die Herausforderung des Dialogs mit Andersdenkenden und –fuehlenden scheut, das nur den durchlaechelten Tag fuer gelungenes Leben haelt?

 Echtes Glueck ist etwas anderes. Echtes Glueck keimt in uns, waehrend wir das Leben umarmen, mitsamt seinen Hoehen und Tiefen, mitsamt seinen Aufrufen an uns, aufmerksam auf die Not der Welt zu blicken und unsere Haende in den Dienst des Mitgefuehls zu stellen. Echtes Glueck fuerchtet nicht, an der Not des Anderen weniger zu werden, oder schmerzliche Erfahrungen durchschreiten zu muessen. Echtes Glueck schuetzt sich nicht gegen das vermeintlich feindliche Aussen, gegen Scheitern oder Bedraengnis, weil es ueberall und zu jeder Zeit zugegen sein kann als Zeugnis menschlicher Wuerde. Es beinhaltet eine Bereitschaft des Menschen, an Leiden Anteil zu nehmen und an leidvollen Situationen zu wachsen und zu reifen. Echtes Glueck fuehlt sich an wie offene Arme, nicht wie ein Hochsicherheitstrakt.

 Das bedeutet nicht, dass wir nicht auf uns achten sollen. Es bedeutet viel mehr, dass achtsamer Umgang mit sich selbst nicht bedeuten kann, trotzig, aengstlich oder selbstsuechtig die Augen vor der Welt zu verschliessen, in deren Geschick wir –so gut oder schlecht es um sie stehen mag- ganz und gar verwoben sind.