Advokat Martian - 3

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Aurelia
Das ist schwierig...
Wovon denn soll mein Glauben jetzt leben?
Er ist, wie unser Mime, taubstumm,
Und kann im Schweigen nur dem Leben folgen,
Wie sich es still bewegt, gleich dunklem Schatten
Auf einer Sonnenuhr. Ich darf ja nicht
Die Haeftlinge besuchen und den Armen
So dienen, wie von dir erwaehnte Maedchen.

Martian
Auf jene Kosten, die verbraucht wuerden,
Dass dieser Hof der Wueste nicht mehr gleiche,
Ich kann den Armen heimlich Hilfe leisten.
Die Haeftlinge besuchst du nicht, damit
Ich sie aus der Haft erretten koennte,
Vor dem Gericht verteidigend, denn Richter
Vertrauen mehr jenem Advokaten
Der an dem Glauben nicht beteiligt ist.

Aurelia
Du koenntest all das ohne mich verrichten,
Vielleicht noch besser. Selbst die schlichten Kleider,
Die ich hier trage, gaebest du den Armen,
Wenn deine Tochter stuerbe...
(nervoes)
Oh, ich wuerde
Viel mehr dir helfen, wenn ich wirklich stuerbe!

Martian
Das hab; ich nicht von dir verdient. Du sprichst
Aus Aerger nur und blosser Eitelkeit.
Wenn „schlichte Kleider“ dich so traurig machen,
So kann ich etwas Besseres dir kaufen.

Aurelia
Was koennte ich anfangen mit den Kleidern –
Fuer wen, wozu soll ich mich schoener machen?

Martian
Du redest jetzt wie eine echte Heidin.
Was solls: „fuer wen, wozu“? Bald haben wir
Die grosse Feier, frohe Ostern, wenn
Selbst Arme fuer die schoene Kleidung sorgen.

Aurelia
Sie gehen in die Kirche, unter Menschen.

Martian
Du meinst, wir feiern nur der Menschen wegen?
Das glauben nur die Heiden, deren Feste
Darin bestehen, dass man Orgien laut
Vor allen Augen feiert, doch die Christen
Verehren Gott und feiern in der Stille.

Aurelia
Da bin ich mir nicht sicher...mein Gedanke
Mag suendhaft sein, doch wenn wir feiern so,
Von allen abgeschlossen, waehrend alle
Fuer Freuden  in dem Kreis vereinigt werden,–
So scheint es mir, als seien wir Verbannte...
Bekennt sich Gott zu uns im Himmelreich,
Wenn wir nicht wagen, sich zu ihm bekennen
Vor Menschen hier?

Martian
Einst dachte ich so auch,
Doch unsere Gemeinde und der Bischof
Versichern mir, dass mein geheimer Dienst
Fuer ganze Kirche mehr bedeuten sollte,
Als wenn ich selbst mein Leben opfern wuerde.

Aurelia
Die Rede ist von mir, und nicht von dir.

Martian
Und ists fuer dich unmoeglich, Christus lieben
Geheim und innig?

Aurelia
Nein, denn meine Liebe
Ist tot, so wie mein Glaube.

Martian
Aurelia!
Schon wieder diese fuerchterlichen Worte.

Aurelia
Noch schlimmer ist, was hinter ihnen steckt...
(nach einer Pause)
Erinnerst du dich, Vater, an die Weihnacht,
Als du zum ersten Male mir erzaehltest,
Wie Gott in Bethlehem geboren wurde?

Martian
Und ob, wie koennte solches ich vergessen!
Ich moechte wieder jenes Licht erblicken,
Das damals in den Kinderaugen strahlte,
Und jenes frohe Schaudern wieder spueren,
Das wurde damals mit gewahr, als du
Auf meinem Schosse sassest.

Aurelia
(vertraeumt)
Das war schoen!
In jener Nacht ich konnte nicht einschlafen,
Ich schwaermte von dem holden Gotteskindlein,
Das kam zur Welt bei frohen Engelliedern,
Bei hellen Strahlen eines neuen Sternes,
Ich sah mich auf den Weg zu ihm begeben,
Mit den drei Koenigen die Gaben bringen,
Doch Gold, Weihrauch und Myrrhe scheinen mir
Noch nicht genug fuer Gottessohn, so machte
Ich eine Purpurdecke fuer die Krippe,
Ich streute schoenste Blumen auf die Wiege,
Ich wickelte das Kind in feinste Schleier
Und suchte Edelsteine ihm zu spielen.

Martian
Dem Kinde sind erlaubt solche Traeume,
Bei der Erwachsenen schon riechen sie
Nach Heidentum.

Aurelia
Oh, mach dir keine Sorgen!
Die Traeume laengst erloschen...damals noch,
Als du am naechsten Morgen leise sagtest:
„Du Kleine, du sollst niemandem erzaehlen,
Was hattest gestern du von mir gehoert...“
Nur dachte ich mit Bitterkeit daran,
Wenn stand ich bei den elenden Andachten
Bei uns zu Hause. Dann dachte ich:
„Mein Gott, so sind ja meine Gaben!“

Martian
Christus
Verlangt von uns auch keine Prachten.

Aurelia
Doch,
Ich hoerte ueber schoene Malereien
Und herrliche Gesaenge in den Kirchen,
Die bleiben mir verwehrt. Aus meinem Fenster
Sind nur die Heidenfeste frei zu sehen:
Die frohen Zuege bei den Saturnalien,
Die ernsten Theorien von den Priestern,
Der Gang von den Vestalinnen...Ich denke:
„Ihr Glaube ist falsch –  warum dann schafft
Er solche Schoenheit, waehrend unsre Wahrheit
So armselig gekleidet?“ Und von solchen
Gedanken muss auch meine Liebe sterben.

Martian
Aurelia! Wenn du bist eine Christin,
So solltest du die Schoenheit auch begreifen,
Die hoeher ist, als heidnische.

Aurelia
Um mich
Ich sehe keine solche Schoenheit!..
Nein,
Nur einmal doch gesehen, aber du
Dann meintest, sei es nicht fuer mich...

Martian
Was naemlich?

Aurelia
Das war, als ging ich einmal in den Zirkus,
Noch mit der Mutter...Zuerntest du ihr damals...


Martian
Weil ich genau wusste, bloss die Neugier
Hat sie dazu gebracht. Und dir noch Schaden
Das zugefuegt: die ganze Nacht danach
Du traeumtest von dem Boesen, branntest, schriest...

Aurelia
Und dennoch wars ein einziges Mal, als ich
Mit meinen  eignen Augen gesehen
Auch jene hohe Schoenheit, so lebendig,
So fuerchterlich...

Martian
Du zitterst ja selbst jetzt
Am ganzen Koerper nur von der Erinnerung!
Das solltest du nicht sehen!