Advokat Martian - 6

Надия Медведовская
II

Derselbe Ort und Tag, nur ein bisschen spaeter.
Martian arbeitet alleine im Tablinum. Manchmal wandert sein Blick durch den Raum und wird durch schwere Gedanken verfinstert, aber er zwingt sich mit der starken Willensanstrengung zur Arbeit und beugt sich ueber die Pergamente. Hinter der Pforte sind die Stimmen zu hoeren, zuerst leise, dann immer lauter. Dann bricht eine hohe, zitternde, aber vor Angst scharfe Maedchenstimme durch:"Ach, Mama! Ich hab Angst! Was wird denn weiter? Wo sind wir hingeraten?"
Eine andere, ruhigere und tiefere Frauenstimme erwidert: "Warte mal". Danach hoert man hinter der Pforte Klopfen, das sofort abbricht, als ob jemand eingegriffen haette. Martian, nachdem er die Stimmen gehoert hatte, lauschte gespannt, schaute aus dem Tablinum hinaus, ging an die Pforte, vorbei an dem Mimen, der sich ueber die Klepsidra beugte, und schob das Klappfenster in der Pforte zur Seite.

Martian

(Aus dem Klappfenster her auf die Strasse blickend)

Albina! Schwester!

(Oeffnet rasch die Tuer und laeuft hinter die Pforte.)
Man hoert den Laerm froehlicher Begruessung. Nach einer Weile oeffnet der Waechter-Germane die Pforte und winkt dem Mimen, dann sie tragen zu zweit eine leichte Lektik (Tragbahre mit einem Zelt und Vorhaengen, vierbeinig wie ein Bett) ins Peristilum hinein. In der Lektik sitzt, sich auf den Kissen zuruecklehnend, Lucilla, ein duennes, sehr gebrechliches halbwuechsiges Maedchen. Hinter der Lektik geht auf Martian;s Seite Albina, noch nicht alt, aber sehr blass, mit ergrauten Haaren und traurigen, mueden Augen. Nach Martians Zeichen stellen die Diener die Lektik in der Naehe des Teiches hin, tragen die Sachen der Gaeste ins Haus hinein; der Mime bleibt dort in den Zimmern, und der Waechter kommt hinter die Pforte zurueck und schliesst sie hinter sich ab.

Albina
Was ist das denn, Martian,
Dein Waechter wirkt so seltsam? Oeffnet nicht
Und laesst nicht einmal an die Pforte klopfen.

Lucilla
Und dazu schreit noch auf Barbarenweise,
So dass ich mich erschrak!

Martian
Denn unsre Sprache
Spricht er gar nicht, er ist ja ein Germane.
Er hat nach meinem Auftrag gehandelt,
Die Gaeste sollen nicht zu Arbeitszeiten
Ins Haus kommen, ich mag auch kein Klopfen.
Und Kunden treten durch die Diele ein.

Martian und Albina setzen sich auf eine Bank.

Lucilla
Und wo ist jetzt Aurelia, Onkel Martian?

Martian
(neigte sich, als wollte er etwas aus dem Boden heben)
Sie ist nicht da.

Lucilla
Wie schade! Die Cousine
Wollte ich doch so sehen!

Albina
Kommt sie bald,
So seht ihr euch, du musst nicht lange warten.
(spricht zu Martian)
Nicht wahr?

Martian
Das weiss ich nicht.

Albina
Und unterwegs
Dort unten trafen wir grad' einen Burschen,
Der aehnelt dir so sehr! War das Valentus?

Martian
Er war;s, gewiss.

Albina
Oh, wenn;s mir sicher waere,
So haette ich ihn damals angehalten,
Und einfach so - ich konnte das nicht wagen.

Lucilla
(zu Martian)
Wann kommt Cousin nach Hause?

Martian
Nicht bald.

Albina
(Auf den Bruder blickend, spricht leise zu ihm)
Du siehst, als ob...Ist alles denn in Ordnung?

Martian
(ebenso leise)
Tut nichts...wir sprechen spaeter...

Lucilla
Onkel, sag,
Ist heute Glueckstag?

Martian
Ja, der Tag ist gluecklich,
Weil ihr gekommen seid.

Lucilla
Nein, du weisst nicht...
Ich fuerchte, dass es ein feraler w;re.

Albina
Nein, Tochter, ich schon sagte das dir vielmals.

Lucilla
Wir haben, Onkel, in Alexandria
Drei Schiffe schon verpasst, denn Abfahrt war
Nur an feralen Tagen.

Albina
Und deswegen
Verpassten wir auch schoenes Seewetter,
Es schlingerte so furchtbar.

Lucilla
Das macht nichts,
Wir sind ja hier lebendig angekommen,
Und wie es sonst noch waere - niemand weiss.

Martian
(im stillen)
Albina, ist denn deine Tochter heidnisch?

Albina
(ebeno still)
Nein, Gott bewahre, nur der Krankheit wegen
Ist sie so schwachen Geistes.

Lucilla
Mama! Onkel!
Was tuschelt ihr? Sagt mir doch wahr, ob heute
Der Tag ist nicht feral?

Albina
Natuerlich nicht!

Lucilla
Oh, wenn es so ist...gebt mir den Kalender!
(Verzieht das Gesicht zur schmerzlichen Miene und greift sich an das Herz)

Albina
(stuerzt sich in Unruhe zu ihr)
Ja, Martian, gib ihr doch den Kalender,
Ich bitte dich. Sofort, jetzt siehst du, Tochter!

Martian geht ins Tablinum und bringt einen Kalender - einen Marmorkubus mit dem gezeichneten Kalendertext, drei Spalten auf jeder Seite.

Lucilla
(Sah sich eine Spalte an)
Ja, Gott sei dank, heut; ist der Tag von Venus...

(Lehnt sich beruhigt auf den Kissen zurueck, aber wird auf einmal wieder besorgt und beginnt nach etwas zu suchen.)

Und wo ist meine Bulle, Mama?

Albina
(Holt aus dem Beutel hinter dem G;rtel ein kleines Medaillon an dem Band)

Hier.

(Will es wieder verstecken.)

Lucilla
Nein, gib die mir, sonst kannst du sie verlieren.
(Nimmt die Bulle und haengt sie sich um den Hals.)

Martian
Was ist denn drin?

Lucilla
So...bloss ein kleines Steinchen,
Heisst "Schlangenauge" - ein Eskulapenpriester
Der Mama gab;s, als sie in Syrakus
Zu seinem Tempel ging.

Martian
(zu Albina)

War;s wirklich, Schwester?

Albina
(Machte eine verneinende Geste zu Martian, unmerklich fuer Lucilla)
Ich musste schon...wer koennt; sie ueberzeugen?

Lucilla
Und hier gehen wir zum Libitina-Tempel,
Nachdem ich mich erhole. Mama will
Das nicht, doch sagte eine alte Frau
Dort auf dem Schiff, das wird mir sicher helfen,
Die Schwaeche nimmt das ab, wie weggewischt.

Martian
Auch ohne das wirst du bei mir genesen.

Albina
Ich habe naemlich sie zu dir gebracht
Des guten Klimas wegen, fuer die Besserung.
Denn Fruehling in Aegypten schadet ihr
Mit jenen heissen Winden - echte Hoelle.

Lucilla
Und hier ist es, als ob im Paradies,
Es atmet sich so leicht...

(Atmet tief ein und laechelt mit Vergnuegen.)

Albina
(auch laechelnd)
Nun, siehst du, Tochter,
Ich sagte dir, es wird beim Onkel schoen!

Der Mime kommt und sieht, dass die Sonnenuhr schon ganz vom Schatten bedeckt ist, er hebt den Hammer, um damit an das Brett zu schlagen, aber Martian macht ihm ein Zeichen, dass er das nicht tun soll, und weist mit der Hand auf die Pforte. Der Mime laesst den Hammer, oeffnet die Pforte, beruehrt den Waechter und weist ihn auf den Seitendurchgang im Hof; jener tritt auf den Hof, macht die Tuer zu, verriegelt die Pforte und geht durch den Hof nach rechts zum Seitendurchgang. Der Mime kehrt zuraeck und giesst Wasser aus dem Krug in die Klepsidra.

Lucilla
(Tastet sich unruhig nach der Brust und sucht etwas ringsherum. Verzweifelt.)
Ach, Mama, weh mir! ich verlor mein Fischlein.

Albina
Wie, Toechterlein? Es war doch an dem Halse?

Lucilla
Das Baendlein kann zerrissen sein...

(ringt die Haende und hebt sie auf)

Oh Christus!
Vergib mir doch! Vergebung! Ach, du Mama,
Wozu ich schickte dich zu jenem Tempel!
Der Herr erzuernte sich fuer Eskulapen
Und nahm mir Fischlein weg, denn er will nicht,
Dass ich, Unwuerdige, sein Zeichen trage...
Ach, Mama, jetzt muss ich schon sicher sterben!..
Oh weh, wozu gingst du zu Eskulapen!

Albina sieht hilflos auf Martian.

Martian
(im stillen zu Albina)
Sag ihr doch, du warst nicht gegangen.

Albina
(ebenso, schuettelnd den Kopf)
Nein,
Sonst wird;s noch schlimmer.

Lucilla
(bemerkt ploetzlich ihr Fischlein in des Mimen Hand. Froehlich)

Oh, gib es doch mir!
Wo hast du es gefunden?
Der Mime bewegt sich nicht und betrachtet ruhig das kuenstlerisch geschnitzte Fischlein.

Es ist mein!

(zu Martian, irritiert)

Er hoert nicht, weil er ein Barbar auch ist?

Martian
Nein, er ist taubstumm.

(Nimmt das Fischlein von dem Mimen und reicht es Lucilla,
sie drueckt das Fischlein vergn;gt an ihr Herz und kuesst es.)

Lucilla
(Auf den Mimen blickend.)
So ist er haesslich!

Martian
Warum denn? Er ist doch ein guter Kerl,
So still und folgsam. Wenn du willst, wird er
Dich auf den Haenden tragen.

(Fragt den Mimen in der Gebaerdensprache, ob er Lucilla auf den Haenden tragen wird. Der Mime winkt mit dem Kopf und laechelt freundlich zu Lucilla. Sie laechelt zurueck.)

Lucilla
(zu Martian)
Onkel, sag ihm,
Dass er die Pforte oeffnet. Ich will schauen
Von dieser Seite nochmals auf das Meer.

Martian
Dort ist die Strasse, Kindlein, wird;s nicht gehen.
Die Menschen werden in den Hof nur blicken.

Lucilla
(erschrocken)
Und du hast Angst? Sind Menschen hier so boese,
Dass sie auf Christen Steine werfen?

(zur Mutter)

Mama,
Hier sollst du nie hinausgehen! Und
Ich lasse dich zur Kirche auch nicht gehen.
Und sollen keine Menschen sich verstecken
In unsrem Zimmer! Hoerst du? Ich will;s nicht!
Sonst wird;s mir schlechter und ich werde sterben!

Albina
Bewahr; uns Gott! Mach dir doch keine Sorgen.
Wohin ich gehe? Wen kann ich hier verstecken?
Ich kenne keine Seele in der Stadt.

Lucilla
Du lernst bald alle in der Kirche kennen.
(spricht nervoes zu Martian, sich immer mehr verwirrend.)
Du, Onkel, weisst das nicht...Das war seit langem...
Als ich  noch klein war..lebte noch mein Vater...
Er ging die ganze Zeit da in die Kirche,
Bei uns versteckten sich die Menschen...Einmal...
Da kam die Wache in der Nacht und holte
All jene Menschen...und den Vater mit...
Man warf ihn ins Gefaengnis...abgesperrt...
Sie quaelten ihn...mit heissem Eisen brannten...
Dann nagelten sie ihn an eine Saeule
Und...und...
(Erstickt, greift sich an die Brust, stoehnt.)

Albina
(stuerzt sich zu ihr)
Lucilla!

Lucilla
Wasser! Gebt mir Wasser!
Der Mime reicht ihr Wasser nach Martian;s Zeichen.

Lucilla
(nachdem sie getrunken und ein bisschen still gelegen hat, zur Mutter)
Du gehst nicht in die Kirche?

Albina
Nein, mein Kindlein,
Ich gehe doch nirgends, bleibe ich bei dir.

Lucilla
Und Menschen? Kann es sein, der Onkel birgt sie?

Martian
Nein, sei du ruhig, keinen Fremden gibt;s
In diesem Haus, und niemand stoert uns hier.
Hier werde ich geachtet.

Lucilla
(seufzt mir Erleichterung)
Das ist gut!
(Schliesst die Augen)
Wenn nur ein Jahr so ganz in Ruhe leben...
Ich wuerde doch genesen...

Martian
Wenn du willst,
So bleib bei mir, selbst wenn bis deiner Hochzeit.

Lucilla
Du bist so guetig, Onkel...Gluecklich muss
Aurelia sein, denn sie hat solchen Vater...
(In ihrer Stimme klingen Traenen.)

Albina
(zu Martian)
Laesst du sie jetzt vielleicht ins Zimmer bringen?
Es daemmert schon.

Martian
Natuerlich. Da auch muss
Geraeumt schon sein und Essen fertig stehen.
Wo moegt ihr lieber essen - im Triklinium,
Oder in eurem Zimmer?

Albina
Dort, wie du.

Martian
Ich esse nicht zu Abend. Und zudem
Mit einer Arbeit hab ich es ganz dringend.
So lasse ich Lucilla hineintragen.

Lucilla
Nein, ich will nicht! Ich gehe lieber selber.

Albina
Das wird doch schwierig, Tochter.

Lucilla
Doch, ich trete
Ins neue Haus mit eignen Fuessen ein.
Denn wenn sie mich auf den Armen tragen,
Wird dies ein schlechtes Omen.

Albina
Wer sagt so?

Lucilla
Ich weiss das selbst. Denn auf den Armen traegt man
Das Maedchen nur in ihre Brautkammer,
Oder zu ihrer Gruft.

Albina
Um Gottes Willen,
Was sprichst du, Tochter!

Martian
Bist du aberglaeubisch,
So magst du denken, dass bei mir du findest
Dir einen Mann und hier die Hochzeit feierst.

Lucilla
Das passt gar nicht. Die Christen lassen doch
Die Braut nicht so tragen, nur die Heiden.
Und ich bin Christin.

Martian
Wenn du Christin bist,
So sollst du Aberglauben nicht beachten.

Lucilla
(hartnaeckig)
Ich gehe trotzdem selber.

(Albina hilft ihr aus der Lektik. Nachdem Lucilla ausgestiegen und einige Schritte gemacht, bleibt sie ploetzlich stehen und schreit auf.)
Oh mein Gott!

Albina
Was? Was ist los?

Lucilla
Wozu ich liess mich tragen
Hier durch die Pforte?
(Stoehnt und schluchzet.)

Albina
Macht doch nichts, Lucilla,
Das war nur Peristilum, noch kein Haus.

Lucilla
(ruhiger, aber misstrauisch)
So meinst du?

Albina
Ja, du meine Liebste, weiss ich
Das ganz genau. In Aegypten gilt
Der ganze Hof als Haus, aber hier
Gehoert das Peristilum nicht zum Haus.
(Fuehrt die Tochter, sie leise unterhaltend, durch den Seitendurchgang
zu den abgelegenen Zimmern.)

Martian, nachdem er Albina und Lucilla begleitet hat, kehrt sofort zurueck und ordnet dem Mimen an,  dass er das Abendessen fuer die Gaeste serviert. Dann geht er ins Tablinum arbeiten, aber bemerkt, dass es dort schon dunkel geworden ist und das Oel in der Lampe schon ganz ausgegangen, so tritt er wieder ins Peristilum. Waehrend der Mime durch das Peristilum hin und her laeuft, das Essen aus der Kueche in die abgelegenen Zimmer tragend, tritt Martian in die Zimmer von seinen Kindern ein, in jenen Minuten, wenn er alleine bleibt; aus dem Zimmer von Aurelia traegt er ein Band und eine Lilienblume fort, aus dem Valentus; Zimmer einige Tafeln, er traegt sie, mit der Toga bedeckend, und birgt im Tablinum in eine Schatulle.

Albina
(kommt an den Vorhang im Tablinum. Sie hat in der Hand ein Schuesselchen mit irgendwelcher Speise und ein Glas Wein.)
Ich stoere, Martian? Verzeih, ich kam
Nur so vorbei, fuer eine kurze Weile.
Hast du bei dir den Aufguss aus Aloe?

Martian
Es scheint mir, ja. Nur warte mal, das Licht
Soll jetzt aufbrennen, dann vielleicht ich find; es.

Tritt heraus, haelt den Mimen an und zeigt ihm, dass er Licht anzuendet. Dieser bringt das Oel, giesst es in Martian;s  Lampe und in eine Laterne neben der Klepsidra, dann holt einen entzuendeten Span und zuendet das Licht im Tablinum und im Peristilum an. Martian und Albina unterhalten sich inzwischen miteinander.

Martian
(bemerkt bei Albina Speise und Wein.)
Was soll;s? Hast du gebracht mir was zu essen?

Albina
(verlegen, das Mitgebrachte auf die Bank gestellt)
Das...so bestand darauf Lucilla,
Dass ich dies bringe fuer deine Penaten.

Martian
Ich halte doch weder Altar noch Statuen.

Albina
Ich sagte;s ihr - doch sie will mich nicht hoeren.
"Lass das  im Atrium bloss stehen,- so sagt sie,-
Da finden sie schon selber."

Martian
Es ist traurig!
Das Kind von Festus und Albina ehrt
Statt wahren Gott Gespenster!

Albina
Doch, sie ehrt
Und fuerchtet Gott. Und dennoch spuert sie Angst,
Nein, wahren Schreck vor allem, was ihr scheint
Geheimnisvoll, unfassbar oder drohend...
Das ist mein Unglueck, Martian, mein Kreuz,
Das brennt auf Herzen mir wie eine Wunde,
All jener Aberglaube! Doch was
Kann ich da tun? Du selber hast gesehen...
Es gibt schon Muetter, die auch ihre Kinder
Fuer Glauben aufopfern, aber ich...
Du, Martian, verurteilst mich?

Martian
Nein, Schwester,
Ich richte niemanden.

Albina
Die Muetter haben;s
Doch leichter - ihre Kinder sterben einmal,
Sie dulden einmal Qual, und meine - taeglich.

Martian
Seit wann ist es denn so?

Albina
Seit Festus; Tod.
Schon sieben Jahre muessen wir uns plagen.
Sie war schon von Geburt an sehr schwach,
Ich fuehrte damals solch unruhiges Leben...
Ja, manchmal spuere ich doch meine Schuld
Ihr gegenueber...Liess ich kleines Kindlein
Fuer Glaubensdienst, vergiftete ich sie
Mit meiner ausgebrannten Milch...Ach, was,
Ich hatt; sie noch in meinem Leib vergiftet
Mit meinem Blut, das von dem Aufschwung
Des Glaubens entbrannte!.. Aber danach,
Als Festus den Maertyrertod gefunden,
So schien mir - Gott vergebe! - war;s genug
Fuer uns, schon ausgezahlt die Schuld des Blutes.
Ich konnt; mein Waislein nicht mehr quaelen...Bruder,
Nur denke nicht, dass meine Seele fand
Danach schon Ruhe, schlimmer ist;s geworden!
Die Seele kam in Haft auf Lebenszeit,
Zwar ist sie leider nicht gestorben...

Martian
Schwester,
Warum sagst du "auf Lebenszeit"? Du kannst
In Freiheit gehen.

Albina
Wenn ich wirklich sterbe?

Martian
Nein, hier, in dieser Welt.

Albina
Wie kannst du, Martian,
Damit mich troesten? Soll ich schon den Tod
Dem Kinde wuenschen?!

Martian
Nein, dass sie geniest.
Lucilla wird gesund, heiratet jemanden,
Und dann wirst du auch frei.

Albina seufzet schwer und winkt hoffnungslos mit der Hand.

Albina
Ich kann nur wuenschen,
Dass du solch Ungl;ck nie erfaehrst mit Kindern.

Martian
(dumpf)
Ich hab, vielleicht, auch schlimmeres erfahren.

Albina
Was du nicht sagst?!

Martian
Ja, waehrend du den Glauben
F;r Kind aufgabst, tat ich das Gegenteil.

Albina
Was meinst du...hast du deine Kinder wegen
Des Heidentums vertrieben?

Martian
Meine Kinder
Sind Christen, aber hatten sie;s  zu schwer
In solchem Haus, wo sich ein Taubstummer
Nur wohl befindet.

Albina
Ich kann nicht verstehen...

Martian
Du kannst doch deiner Tochter leichten Herzens
Versprechen, in die Kirche nicht zu gehen,
Solange ihr hier seid, weil ich auch selber
Dorthin nicht gehe.

Albina
Bist du ein Geaechteter?!

Martian
Nein, schlimmer - ein Geheimer. So muss sein.
So ist Gemeindewille. Diese Ketten
Wird meine Seele auch nimmer los,
Bis sie sich von dem Leib nicht trennt.

Schweigen. Albina drueckt dem Bruder die Hand.

Lucilla;s Stimme
(von weitem)
Nun, Mama!
Wo bist du da geblieben?

Albina
(meldet sich)
Ich gehe schon!
(in Eile)
Gib mir schon Arznei, Martian, ich muss gehen.

Martian bringt aus dem Tablinum ein Flaeschchen. Albina nimmt es und geht zur Tochter. Martian gibt dem Mimen die von Albina gebrachten Speise und Wein und weist ihm dies fortzutragen. Der Mime geht heraus.