Homs

Ýðíñò Ëóñòèã
Blau ist in Syrien der Himmel,
durch Rauch und Staub noch nicht verhängt,
die Kinder lachen noch - wie immer,
noch ist die Schule nicht gesprengt.

Und unterm Schattenschirm der Feige
noch ist der Nachbar gut gelaunt,
man sitzt zusammen, lauscht der Geige,
es wird geträumt, geplant, gebaut.

Noch spendet Leben - keine Leichen
der stille Fluß Nahr al-Asi.
Man stellt für's Flüchten keine Weichen,
noch klingt es fremd, das Wort 'Asyl'.

Noch ist der Westen nicht erschrocken,
schaut ohne Sorgfalt im Gesicht,
hat keine Angst vor schwarzen Locken,
und seine Tore sind nicht dicht.

Blau ist in Syrien der Himmel,
gewaltig übt die Sonne Macht.
Der Markt - im täglichen Gewimmel,
in trügerischer Ruh' - die Nacht.

Nur manchmal sieht man in der Gaße
ein wirres Weiblein barfuß geh'n.
Es blickt, als ob es was nicht faße,
und wimmert: "Liebe Zeit, bleib steh'n".

05.2018