На руинах - 3

Надия Медведовская
Der Saenger
Wahnsinnige! Besessene! Was tust du?
Errettung, Leut', Heiligtum geht zugrunde!
(Stuerzt sich mit lautem Schrei zum Jordan, ihm hinterher einige Menschen, die durch seinen Schrei geweckt wurden.)
Schwimmt, lauft, greift's, wenn's nicht zu spaet schon ist!
Sie sank auf Grund! Bringt schneller Fischemetze!

Ein Fischer (vom Ufer aus)
Auf Grund gesunken? Schade, schon zu spaet,
Hier ist's zu tief, vergeblich waer' die Suche.
(Ruft zum Saenger, der sich fertigmacht, in den Fluss zu springen. )
Du, komm zurueck, sonst selber du versinkst!

Der Saenger
(Stuerzt sich auf Tirza, ihm folgt eine Menge erwachter Menschen)
So will ich dich, Verbrecherin, ertraenken!

Die Menge
Ins Wasser sie! Ertraenkt! Sie hat's gewagt
Reliquien von Zion zu verderben!
(Sie schleppen Tirza zum Fluss, reissen ihre Kleider, spucken, die Fischerjungen werfen Schlammklumpen auf sie, die anderen binden ihr Haende mit Schilf)

Ein junger samaritischer Prophet
(laeuft von einem Baum hinaus, wo er gebetet hat)
Zur Hilfe, Israel! Judaeer wollen
Ein Maedchen ohne Schuld im Fluss ersaeufen!

(Von allen Seilen laeuft die Gruppe der Samariter herbei und kaempft mit den Judaeen, um ihnen Tirza wegzunehmen.)

Samariter
Ersaeufen? Und wofuer? Fuer welche Taten?

Judaeer
F;r Sakrileg!

Samarilischer Prophet
Nein, fuer das alte Klimpern!
(Samariter lachen, Judaeer wueten, das Handgemenge braust heftiger. Ein Levit steht abseits und sieht ruhig zu)

Judaeischer Saenger
Hilf uns, Levit, gehoerig zu bestrafen
Die Frevlerin!

Der Levit
Was schert mich jene Harfe?
Prophetenlieder gehen mich nichts an.
Wer hat Gesetz, dem sind Propheten unnuetz.

(Samariter ueberwinden endlich die Judaeer und, nachdem ihre Gegner zurueckgeschlagen, fuehren sie Tirza unter jenen Baum, wo ihr junger Prophet vor kurzem betete)

Samarilischer Prophet (zu Tirza)
Bleib hier, Prophetin, der Olivenbaum
Mag dich mit seinen Zweigen dicht bedecken.
Und weh sei dem, der Heiligtum und dich
In seiner Frechheit anzuruehren wagt -
Schma, Israel! Verliert er dann sein Leben.
(zu den Samaritern)
Mit Maedchenhaenden hat der Herr beschaemt
Stumpfsinnige Judaeer. Wisset ihr,
Was fuer Reliquien hat sie ertraenkt?

Ein Samariter
Du hast gesagt, es war das alte Klimpern.

Samaritischer Prophet
Und jenes alte Klimpern klirrte einst
In tueck'sehen Haenden Davids.

Samariter
Adonai!

Samaritischer Prophet
Ja, einstmals klangen jene schlauen Saiten
In den Gemaechern Sauls, uns'res Koenigs.
Sie schlaeferten ihn ein, waehrend der Wurm
Judaeischen Verrats den Thron zernagte.
So fiel der Thron und ging Saul zugrunde,
Und heuchlerisch die Saiten aufschluchzten
Ueber das Ende von Saul und Jonatan
In Haenden Davids, der daran war schuld.
Und spielten jene Saiten in Jerusalem
Schon vielmals auf das Scheitern Samariens!
Doch jetzt sie sind so ohne Spur verschwunden,
Wie Hochmut der Jerusalem'sehen Koenige!

Samariter
Lob sei der neuen Debora, Prophetin!
Oh, gebt ihr eine Pauke! Mag sie spielen,
Mag sie den Tanz beginnen, wie Mirjam,
Die Untergang des Pharao gefeiert!
Hoch Samarien! Nieder mit Jerusalem!

(Ein samaritisches Maedchen reicht Tirza die Pauke. Tirza weist sie schweigend zur;ck und steht, die Stirn geneigt).

Samaritischer Prophet
Sie will auf den Ruinen jetzt nicht spielen.
Das Maedchenherz ist so mitleidig, Brueder.
Es kommt der Tag, wir gehen von diesem Felde
Dahin ins Weite, zum Berg Garizim.
Entz;nden wir das heil'ge Feuer dort
Auf der Anhoehe in geweihten Hainen.
Und dort wird unsere Tirza prophezeien
Von Samarien.

Tirza
Nein, ich gehe nicht
Zum Garizimer Berge. Und ihr auch
Geht nicht dahin. Lasst unsren Zwist vergessen.
Im Jenseits sind Saul und David beide.
Wo bleibt Samarien? Was ist Jerusalem?
Ruine! Oede!

Der Levit
(derjenige, der waehrend des Handgemenges um Tirza abseits gestanden)
Und des Herrn Altar?
Er steht da heil und ganz.

Tirza
Nur ohne Opfer.

Der Levit
Wir haben das Gesetz, wo steht geschrieben:
Nur eine Gottesstadt gibt in der Welt -
Die Stadt von David, ist ein Gotteshaus -
Der Tempel von Salomo.

Ein Samariter
Wo ist denn Jetzt jener Tempel?

Der Levit
Er ist im Gesetz.

(Samariter lachen)

Der Levit
Das dumme Lachen zeigt nur euren Schwachsinn.
Kein Buchstabe wird im Gesetz vergehen.
Dort alles steht auf ewig unzerstoerbar.
Und jeder Stein des Tempels ist unsterblich,
Weil im Gesetz er auf geschrieben steht.

Samaritischer Prophet
Was geht's euch an?

Der Levit
Die Frage eines Frevlers!
Was soll's? Gesetz gibt's immer fuer Gesetz,
Wie Gott fuer Gott. Und wir sind seine Sklaven,
So muessen wir ihm auch blind dienen.

Samaritischer Prophet
Wie?

Der Levit
Wir muessen Heiligtum aufbewahren,
Dass keine Opfer au;erhalb des Tempels
Gebracht, kein Wort im Gesetz veraendert.

Ein anderer Samariter (ein Junger)
Und waehrenddessen nehmen wir Ruinen
Auseinander, tragen das Gestein
Nach Samarien, bauen den Altar
Auf Garizim und bringen dort ein Opfer!

Gruppe der Judaeer
(allmaehlich zusammengekommen, den Streit zu hoeren)
Ihr samarit'sehen Hunde! Dafuer seid
Wie Diebe in der Nacht ihr hergekommen!
Ihr wollt uns unser Heiligtum berauben?
(Die eine Gruppe faengt an, die andere zutreten. Der Levit holt sich einen Stein und zielt auf den samaritischen Propheten.)

Tirza
Macht halt! Sonst kommt der babylon'sche Waechter
Aus seinem Zelte und befiehlt den Sklaven,
Euch auszupeitschen. Wollt ihr ihn aufwecken?

Stimmen aus beiden Gruppen
Ja, das ist wahr! Seid stiller! Kommt zu euch!

Tirza
Ungluecklich seid ihr, Blinde! Seht ihr nicht,
Dass es schon rechte Zeit ist, des Propheten
Jesaja Worte zu erfuellen? Dass
Der Loewe und das Lamm nun Brueder werden.
Der Loewe Judas soll Schakale wuergen
Und nicht des Herren Herde ueberfallen.

Judaeischer Saenger
Du selbst hat unter uns den Zwist gesaet
Und willst den Frieden ernten? Sagt man nicht,
Wer saet den Wind, der wird den Sturm dann ernten?

Tirza
Es wurde laengst gesaet und schon geerntet.
Nicht gestern und nicht heute - Erntezeit
Hat hinter sich das schwarze Feld gelassen.
(Weist weit ringsum auf den Raum, mit Ruinen und obdachlosen Menschen bedeckt.)
Jetzt soll man mit der and'ren Saat anfangen,
Auf andre Ernte warten. Doch nicht euch
Beschieden ist, das Eisenjoch zu schmieden
Zu Sensen und zu Sicheln. Jene Kleinen,
Diejenigen, die bei den Lagerfeuern
Vor Sonnenaufgang hartnaeckig arbeiten,
Die neue Ernte f;r den Herrn bereiten.
Und ihr, gleich den erzuernten Skorpionen,
Vergiftet euch mit eurem eignen Gift,
Verschlinget ihr euch selber wie die Schlangen,
Einst von dem Herrn geschickt, euch zu bestrafen.

Samaritischer Prophet
Wer hat dich zum Propheten hier bestellt?
Die Frau soll in der Gemeinde schweigen!


Tirza
Wer hat mich neue Debora genannt?
War das nicht deines Volkes Sohn? Und wahrlich,
Wenn es den Gro;en mangelt an Vernunft,
Soll Frau dann wie Debora aufstehen
Und rufen laut: "Erheb dich, Israel!"
Und wird sich Volk erheben wie die Wogen
Am Meer, und Gottes Geist belebt die Wogen.
Und Zion voll erblueht mit neuem Fruehling,
Mit Milch und Honig wieder stroemt das Land,
Das uns verheissen war, und wo wir jetzt
Gleich den Verbannten wandeln, gleich der Herde,
Die sich in Wegelosigkeit verlor.
Was wandeln wir? Was bleibt uns noch zu suchen?
Ist es nicht jenes Land, das unsere Vaeter
Mit ihrem Blut und Schweiss fuer uns erwarben?
Die Feuersaeule zeigt uns nicht mehr Wege,
Die Wolkensaeule sagt uns nicht: folgt mir.
Der Herr schenkt keine neuen Gesetzestafeln,
Denn alter Bund hat sich noch nicht erfuellt.
Steh auf, Israel! Mit Scharen pfluege
Dies Schlachtfeld, trete keinen Stapfen ab
Von dem verheiss’nen Land. ;ber den Grenzen
Lass guten Weizen saeen, mit dem Roggen
Zaeune dich von der trocknen Wueste ab.
Leg Steine zu Grundmauern zusammen,
Dann werden Menschen nicht von den Ruinen
Da sprechen, sondern von dem neuen Haus.
Nach Jahren kehrt man heim aus der Gefangenschaft,
Dann leben Zionslieder wieder auf,
Der hohe Sockel hallt dann lauter wider
Auf Lieder der Erneuerung, als klang
Das Echo in den traurigen Ruinen
Von Jeremias bitterlichen Klagen.
Reicht der Gefangene dem Bruder seine Hand,
Sie gehen Arm in Arm die Mauer bauen
Auf jenem lauten und hohen Sockel.
Und meine Seele sieht schon jenen Bau,
Mein Herz weiss schon, wie soll er auch hei;en:
Der neue Tempel in neuem Jerusalem!

Der Samariter
Jerusalem?! Verdammt sei dieses Wort!

Der Levit
Der neue Tempel?! Ohne altes Heiligtum?
Ohn' Bundeslade mit den Cherubim?
Ohn' ganze Erbschaft Davids und Salomos?

Tirza
Meinst du, das Alte nur kann heilig sein?

Judaeischer S;nger
Hinweg mit ihr! In Wueste! Auf Verbannung!
Mag sie uns doch nicht foppen und betoeren!

Einer der Judaeer
Wem sollen wir das Haus hier erbauen?
Damit der Feind kommt und besitzt es wieder?

Ein alter Judaeer
Wer hat den neuen Bau hier erlaubt?
War's Koenig oder Waechter?

Tirza
Geist des Herrn!
Ja, jener Geist, der unter euch nicht lebt,
Verweilet er schon eher in der Wueste,
Wohin ihr mich ins Ungewisse treibt,
Als unter euch!

Judaeischer Saenger
So gehe, suche ihn,
Den argen Geist, der dich schon laengst besessen!

Tirza
Geist Gottes findet selbst mich in der Wueste,
Vor euch liegt noch ein langer Weg zu ihm!

(Die Menge treibt Tirza mit gellendem Laerm vor sich her, bis sie aus der bewohnten Umgegend schwindet.)

Selenyj Hai,62 11.IX. 1904