Grenzenlosigkeit

Ýììà Êëåéí
 Hochsensibel leben,
etwas, das gelernt werden will.

Hochsensible Menschen leben ;berwiegend in dem Empfinden, von auf sie einwirkenden Eindr;cken geradezu hinweggespuelt zu werden.
Wo in all dem sind sie selbst? Wo koennen sie sich finden? Wo koennen sie ihrer selbst sicher sein?
Rueckzug und Abschottung erscheinen meist als einzige Moeglichkeit, den Eindr;cken zu entkommen. Und dann beginnt der Kampf um Abgrenzung oder die Hoffnung auf die Ruecksichtnahme der Anderen, die Hoffnung auf Verstaendnis, die Hoffnung darauf, wahrgenommen zu werden, wie man ist, so grenzenlos offen.

Grenzenlosigkeit – ja, darin liegt das Problem.
Wie die eigenen Grenzen schliessen, wie sie erkennen?
Grenzenlos fuehlt sich, wessen Grenzen im Aufwachsen nicht Best;tigung fanden, nie Bestaerkung erfuhren. Grenzen, die nicht anerkannt werden, bieten keinen Schutz.
Dann muss man sich hinter die Grenzen von anderen, von groesseren, scheinbar staerkeren fluechten, muss eins mit ihnen werden, um ein wenig Sicherheit zu finden.
Identifikation nennt sich das.
Man macht sich gleich, um in den Grenzen des Anderen nicht als stuerend wahrgenommen zu werden, keinen Widerstand auszuloesen. Sich in den Grenzen eines Anderen aufzuhalten ist gefaehrlich, aber ohne Grenzen zu leben, ist schlimmer, wenn nicht gar toedlich.

Gefahr schaerft die Sinne.
Gefahr macht es notwendig, jede kleinste Regung wahrzunehmen. Immer auf Empfang geschaltet. Wahrnehmung garantiert das ;berleben, wird zur h;chsten Begabung. Wer sich selbst nicht schuetzen kann, muss wissen, wann er fliehen muss, wann er unsichtbar sein muss oder was er Bes;nftigendes tun kann.
Hochsensible sind Meister der Wahrnehmung. Sie erspueren feinste innere Regungen im Anderen, feinste Str;mungen in der Umgebung. Im Ueberlebenstrieb auf Identifikation ausgerichtet ueberschreiten sie die Grenzen des Aeusseren und kommen anderen oft zu nahe. Ihre Wahrnehmung ist auf Gefahr ausgerichtet und alles wird auf seine moegliche Gefaehrlichkeit geprueft. Deshalb spueren sie im Anderen alles auf, was unstimmig ist, ob sie wollen oder nicht. So manchem erscheinen sie deshalb selbst als gefaehrlich, denn wer m;chte nicht irgendetwas in sich vor anderen verbergen?

Schutz ist das zentrale Thema des Hochsensiblen.
Ein seelischer Schutz, den er in den Anf;ngen seines Lebens nicht ausreichend erfahren hat. Ein Schutz, der ihm nicht gewaehrt werden konnte, weil die Eltern selbst sich nicht sch;tzen konnten, weil sie vielleicht selbst im Leid oder im Kampf ums ueberleben verloren waren oder auch im Kampf gegeneinander. Um seelischen Schutz zu gewaehren, um die nat;rlichen Grenzen und damit die wesensgemaesse Eigenst;ndigkeit eines Kindes anzuerkennen, bedarf es einer seelischen Staerke, einer inneren Ausgewogenheit, eines partnerschaftlichen Miteinanders.
Danach sucht der hochsensible Mensch dann spaeter auch bei seinem Partner, mit dem er gerne eins-werden w;rde, wenn er es nur koennte. Aber jedes Eins-werden bedeutet fuer ihn zugleich auch Selbstaufgabe und endet nur allzu oft im Kampf um Wahrgenommen-werden.

Im Sich-selbst-schuetzen-lernen liegt der erste Schritt zum erfolgreichen Umgang mit der Hochsensibilitaet.
Das Bewusstsein der eigenen St;rke gilt es zu f;rdern und zwar auch ganz k;rperlich. Diese Erfahrung fehlt in der kindlichen Entwicklung. Sie wurde umgangen durch den Einsatz der Hochsensibilitaet. Es fehlt die Erfahrung, Gefahren standhalten zu k;nnen. Es fehlt die Erfahrung, ein Ich, einen eigenen Willen auch gegen Widerstand erfolgreich unter Beweis zu stellen. Es fehlt die Erfahrung sich selbstverstaendlich in den Raum zu stellen, Raum einzunehmen. Das kann man nicht, wenn man in den Grenzen eines Anderen lebt. Dazu fordern die staendigen Grenzverletzungen, die ein Hochsensibler erlebt, ihn aber auf. Es fehlt ihm nicht an Grenzen, sondern an der Kraft diese auch zu halten und an ihrer Bewusstwerdung.
Willenstraining ist notwendig und der Aufbau von Koerperbewusstsein, um Grenzen sowohl zu erkennen, als auch zu halten. Kampfsport duerfte der schnellste und direkteste Weg dazu sein. Das ist meine Erfahrung. Er ermoeglicht es, sich unter Anleitung und mit Unterstuetzung Gefahrensituationen zu stellen und sie zu bewaeltigen.
Erst wenn die hochsensible Wahrnehmung nicht mehr auf die Frueherkennung von Gefahr ausgerichtet ist, kann sie ihre volle Bandbreite und ihr volles Potential entfalten.

In der Bereitschaft zur Identifikation liegt die zweite Huerde.
Identifikation soll N;he bewirken und Entfremdung bzw. Ablehnung vermeiden. Wer sich mit einem anderen Menschen identifiziert, erhofft sich dies auch von seinem Gegenueber. Er glaubt, dann von diesem erkannt und angenommen zu werden. Oft wird die gegenseitige Identifikation fuer Liebe gehalten. Aber das Gegenteil ist der Fall.
Identifikation ist eine Gleichschaltung und beim Gegenueber ein Eindringen durch die Hintert;r. Gleichschaltung kann nicht Liebe sein, denn sie faehrt zum Selbstverlust des energetisch Schwaecheren. Das empfindet der Hochsensible dann als ein Eindringen in ihn, dem er nichts entgegensetzen kann. Er weiss nicht mehr, ob das, was er fuehlt von ihm stammt oder doch eher von dem Anderen? Wie soll er es in der Gleichschaltung unterscheiden?
Er weiss nur, dass er haeufiger in einer Weise reagiert, die er selbst nicht wirklich versteht, es im Nachhinein und allein nicht nachvollziehen kann.
Am liebsten wuerde er dafuer sorgen, dass es dem Anderen gut geht, dass alles in ihm in Ordnung ist. Dann waere er sicher, dann ginge es auch ihm gut. Deshalb moechten Hochsensible so gerne die Welt heilen. Aber darin liegt die L;sung nicht.

Die L;sung liegt in der gestaerkten Identifikation mit sich selbst.
Das ist sicher einfacher gesagt, als getan, ist doch der Akt der Identifikation dem Hochsensiblen selbst meist gar nicht bewusst.
Grundlegend notwendig ist zuerst die Erkenntnis, dass nicht alles, was ein Hochsensibler fuehlt, auch wirklich ihm entspringen muss. Wie viel und was er von anderen fuehlt wird davon bestimmt, wie stark er sich auf etwas ausrichtet. Solange er gaenzlich auf Gefahrenwahrnehmung und/oder auch auf einen Partner ausgerichtet ist, kann er keine Grenzen wahren und kaum w;hlen. Deshalb sind die Erfahrungen des Gefahren-standhalten-K;nnens so bedeutsam. Sie setzen ein Wahrnehmungspotenzial frei, das von ihm auf seine Eigenwahrnehmung ausgerichtet werden kann. Von allein geschieht dies allerdings nicht. Es bedarf einer ausdauernden ;bung des Selbstgewahrseins, das mit dem Aufbau des Koerperbewusstseins beginnt und sehr gut w;hrend des Erlernens eines Kampfsportes trainiert werden kann. Es gilt, sich auf die urteilsfreie und differenzierte Wahrnehmung des eigenen Koerpers auszurichten, um die feinen Unterschiede zwischen eigenem Empfinden und uebernommenen Empfinden erkennen zu lernen.
Je mehr Erfahrungen damit gesammelt wurden, um so leichter wird es, sich konstant mit sich selbst zu identifizieren, sich selbst identifizieren zu koennen.
Die Regel lautet: Aufmerksamkeit im gleichen Masse nach innen zu richten wie nach aussen, die Wahrnehmung gleichermassen auf sich selbst zu richten, wie auf aeusseres.

Ein Hochsensibler bleibt ein Hochsensibler.
Wenn er jedoch lernt, mit seiner Begabung umzugehen, wird er nicht mehr unter ihr leiden. Er wird die Faehigkeit erlangen, sich selbst die Umgebung zu erschaffen, derer er bedarf und die ihm gut tut und den fuer ihn notwendigen Abstand zum Geschehen zu halten.
Mir ist es auf diesem Weg fuer mein Leben gelungen und ich kann meine Gabe nach meinem Willen einsetzen.
Entscheidend dafuer war, dass ich gelernt habe, meinen eigenen Empfindungen mehr Bedeutsamkeit zu verleihen, als den in mir wahrgenommenen Empfindungen anderer.